Longtail 3 – Lasten transportieren

Lasten mit dem Multicharger transportieren

Heute geht es um Kofferraum-Tetris der anderen Art. Ein Longtail-Lastenrad wird nämlich mit dem Gerümpel des Alltags spielend fertig und bleibt dabei stets agil und wendig. Geht nicht gilt nicht und es macht übrigens unglaublich viel Spaß, immer neue Möglichkeiten zu finden, wie das Multicharger beladen werden kann. Wer kann das schon vom Kofferraum seines Autos sagen? 

Cargobags – Helden im Alltag mit kleinen Schwächen

Im Gegensatz zu Lastenrädern mit einer Transportkiste, schaffen Longtails ihre Fracht mit großen Cargotaschen am Gepäckträger von A nach B. Diese fassen mindestens 30l pro Seite. Tern bietet für sein GSD sogar Taschen mit je 52l Volumen an.

Die Cargobags von Riese & Müller haben je ein Volumen von 33l und sind in ihrer Form an den Gepäckträger, der mit 60kg beladen werden darf, angepasst. So bleiben auch große Füße nicht an den Taschen hängen. Mit vier starken Klettverschlüssen sind sie am Gepäckträger befestigt. Die sind bei der Montage jedoch so fummelig, dass sie schon unter Diebstahlschutz laufen. Einem Glegenheitsdieb verging an meinem Rad nach dem ersten Verschluss wohl die Lust.

Im Alltag braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen, ob die Einkäufe, der große Rucksack oder der Sack Blumenerde nun in die Tasche passen. Sie schlucken einfach alles! 

Wocheneinkauf inkl. Toilettenpapier
Den Wocheneinkauf erledige ich mit zwei Körben (Reisenthel, die waren mal in aller Munde), die so wie sie sind, in die Cargobags gestellt werden. Einfach den Henkel umklappen und den Rollverschluss schließen. Wenn es doch mehr geworden ist, lässt man den Verschluss nach oben offen und gewinnt noch mehr Stauraum. Das Wort „Kapazitätsproblem“ kennen Longtailfahrer im Grunde nicht..

Bei Nichtgebrauch lassen sich die Cargobags flach zusammenschnüren. So nehmen sie fast keinen Platz mehr weg. Diese Möglichkeit mag ich sehr, da das Multicharger dann wieder seinen sportlichen Charakter zurückbekommt und nicht mehr aussieht wie eine Honda Goldwing. Ich wurde ernsthaft schon gefragt, was ich denn für ein seltsames Motorrad fahre.

Schnallen schließen und die Bänder festzurren hat oberste Priorität. Die Belastung der Nähte ist sonst immens. Womit wir bei der Qualität der Cargobags angekommen wären. Nach 4500km (10 Monate) zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. Das hat mich etwas enttäuscht, da ich das von Ortlieb oder Vaude nicht kenne. 

Zur Stabilisierung der Wände sind zwischen dem äußeren und inneren Stoff Kunststoffplatten eingenäht. Da sie immer etwas Spiel haben, hat sich am Boden der einen Tasche ein kleines Loch gebildet. Da wäre eine Verstärkung sinnvoll gewesen. Außerdem ist es mir nie gelungen, die Taschen wasserdicht zu verschließen. Mir scheint, das Wasser dringt über die Naht an den schmalen Seiten ein. Ein kurzer Schauer ist kein Problem. Mein Rad steht während der Arbeitszeit allerdings draußen. Nach einem Regentag ist das Tascheninnere unter Garantie nass

Aus diesem Grund und weil man die Taschen mit Kind an Bord sowieso nicht zumachen kann, empfehle ich unbedingt die Anschaffung wasserdichter Packsäcke oder stabiler Plastiktüten. Darin verschwindet an Regentagen beispielsweise mein großer Rucksack und kommt trocken an. Zwei 30l-Exemplare fahren deswegen immer mit.

Safetybar – Die Allzweckwaffe

Nahezu alle Hersteller bieten eine Reling für den Gepäckträger an. In erster Linie ist die Safetybar ( = Monkeybar, Clubhouse) zwar für den sicheren Kindertransport gedacht, aber auch Kisten lassen sich damit hervorragend transportieren. Deswegen würde ich sie auch allen ohne Kinder empfehlen.

Die Fläche innerhalb der Safetybar des Multichargers beträgt 40x60cm. Damit ist sie perfekt für Eurokisten diesen Maßes ausgelegt. Die Höhe sollte dabei mindestens 30cm betragen, damit sie nicht herausrutscht. So gewinnt man ein Zuladungsvolumen von 66l. Für mein Longtail habe ich eine solche Box mit Scharnierdeckel im Baumarkt besorgt. Damit ist die Ladung auch zumindest vor leichtem Regen geschützt. Theoretisch kann man auch höherer Boxen verwenden. Allerdings wirkt sich das auch nachteilig auf den Schwerpunkt des Rades aus. Der ist beim Multicharger durch die 26“-Reifen ohnehin sehr hoch. Bei niedrigen Rädern ist das sicher ein kleineres Problem. Generell sollte jeder selbst ausprobieren, mit wie viel Zuladung er sich noch wohlfühlt. Es spricht gar nichts dagegen, mit wenig Zuladung zu starten und das auszubauen. Der Mensch wächst schließlich mit seinen Aufgaben.

Da das Multicharger eigentlich ein Midtail und somit etwas kompakter als ein Longtail gebaut ist, rückt die Kistenwand sehr nahe an den Fahrer heran. Man sollte also ein eher kleines Ärschle haben, sonst drückt es im Rücken. Bei anderen Longtails hat man dieses Problem nicht, da die Gepäckträger länger sind.

Mein bisheriger Lieblingstransport in der Kiste waren 30 Flaschen Wein, vier Flaschen Sekt und eine Flasche Saft von einem Weingut in unserer Nähe. Die Kiste kam mit in den Laden und wurde direkt befüllt.

Aber auch kleinere Getränkekäufe können auf dem Gepäckträger ganz unspektakulär befördert werden. Platz finden eine Bierkiste und ein Saftkasten oder zwei 12er-Kisten Sprudel.
Für den Besuch auf dem Wertstoffhof gibt es mittlerweile den wohlgehüteten „Kartonkarton“ im Keller, in dem die Kartonagen gesammelt und transportiert werden.
(Das Foto zeigt den Vorgänger mit ausbaufähiger Ladungssicherung)

Frontgepäckträger – Süß und unterdimensioniert

Mein Verhältnis zum Frontgepäckträger ist etwas gespalten. Im normalen Transportalltag ohne Kinder kann man sicher auf das Trägerchen mit seinen 5kg Kapazität verzichten oder kommt damit gut zurecht, weil sowieso alles hinten Platz findet. Sitzen allerdings zwei Kinder mit je einem (kleinen) Rucksack hinten drauf, kann ich die Cargobags nicht mehr richtig nutzen. Dann muss zumindest mein Rucksack vorne Platz finden. Und ganz ehrlich: Zeig mir mal einen Lehrerrucksack unter 5kg! Unterrichten die nackt und haben die Nahrungsaufnahme eingestellt?

Zum Glück hat der Hersteller nachgebessert und bietet ab 2021 einen Cargoträger mit 15kg Zuladung an. Die Nachfrage beim Fachhändler ergab leider, dass der Cargoträger nicht für die älteren Modelle passt.

Andere Hersteller wie beispielsweise Tern haben das von vornherein besser gemacht. Deren Frontträger können ab Werk 20kg und eine kleine Eurobox aufnehmen. Beim Multicharger muss man da basteln oder sich mit Spanngurten verkünsteln. 

Packtaschen anderer Hersteller 

Wer schon andere Packtaschen hat und sich die Ausgaben für die Cargobags sparen will, kann das tun. Sowohl von den gängigen Ortlieb- als auch die Vaudetaschen passen zwei Stück hintereinander auf jede Seite. Da die Streben sehr dick sind, werden keine Reduzierstücke benötigt. Je nach Modell kann man rund 80l Ladevolumen an den Gepäckträger hängen und übertrifft damit die Originaltaschen um 20l. Die Möglichkeit, große Gegenstände zu transportieren, wird aber eingeschränkt. Man sollte die Taschen jedoch möglichst weit hinten anbringen, damit sie beim Pedalieren nicht im Weg sind.
Auf den Bildern sind zwei ausladende Ortlieb Bikeshopper mit je 20l zu sehen. Kompaktere Taschen wären besser geeignet.

Die Taschen lassen sich übrigens auch bei montierter Safetybar einhängen, wobei das etwas fummelig ist. Für den Fall, dass ein Kindersitz montiert ist, kann man einfach davor oder dahinter die beiden Taschen einhängen. Diese Variante habe ich schon öfter am kleinen Tern HSD sehen können.

Sideloader – Zur Verstärkung sinnvoll

Erst mit den Fußablagen ( = Lower Decks, Side Boards) ist ein Longtail meines Erachtens vollständig und sinnvoll nutzbar. Die Taschen brauchen, wie oben bereits erwähnt, maximale Unterstützung, um auch mit schwerer Fracht fertig zu werden. 

So hatte ich unlängst eine Leiter ausgeliehen, die in den Cargobags stand und von unten durch die Sideloader unterstützt wurde. Aber auch Bretter oder Regale bis zu einer Breite von 60cm lassen sich auf diese Weise senkrecht transportieren. Mit der Safetybar braucht es dann fast keine zusätzliche Ladungssicherung mehr. 

Die Sideloader bieten außerdem die Möglichkeit, andere Fahrräder abzuschleppen. Dafür wird die Abdeckung umgeklappt und das Vorderrad verschwindet in der Führung. Diese Möglichkeit ist insbesondere für Kinderfahrräder (16“-20“, bis 11kg lt. Hersteller) gut geeignet. Ohne Monkeybar können auch größere Räder transportiert werden. Dann sollte man das Laufrad allerdings mit einem eigenen Spanngurt am Gepäckträger des Multichargers befestigen. Sonst würde eine zu hohe Belastung auf den Speichen liegen.

Auf dem Bild ist ein 26“-Mountainbike zu sehen. Das ist grenzwertig, aber im Notfall möglich. Es macht sicherlich auch Sinn, die Bremsscheibe zusätzlich gegen den Rahmen abzupolstern.

Lastenanhänger – Darf es etwas mehr sein?

Manchmal reichen 130l Ladevolumen (Nebenbei bemerkt: immerhin so groß wie der Kofferraum eines VW Lupo) doch nicht aus. Das können die Entsorgung eines Backofens, der größere Getränkekauf, der Besuch beim Grüngut oder im Baumarkt sein. Um für diese selteneren, aber trotzdem regelmäßigen Fahrten nicht mehr auf ein Auto angewiesen zu sein, haben wir unseren Fuhrpark um einen Cargoanhänger (Roland Carrie m.e) ergänzt. Wichtig in diesem Zusammenhang war, dass vier große Getränkekisten auf der Grundfläche passen. Damit ist man für alles gewappnet.

 

Weberkupplung trotz Sideloadern am Multicharger montieren

An den Lastenanhängern von Roland ist eine Weber Kupplung verbaut. Das Bajonettsystem ermöglicht schnelles An- und Abkupplen und ist dadurch super geschickt. Um jedoch überhaupt in den Genuss eines Anhängers und der Sideloadern zu kommen, mussten wir etwas tricksen. Die Kupplung kommt sich nämlich mit den Fußbretten ins Gehege, weshalb die EP Kupplung um genau 6cm nach unten verlängert werden muss. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder beauftragt man einen Metallbauer, der die Grundplatte mit Verlängerung nachbaut oder man besorgt sich ein Stück Edelstahlblech entsprechender Dicke und verlängert die Grundplatte mit drei Schrauben. Dabei sollten sich Blech und Grundplatte maximal überlappen. An meinem Rad kam die zweite Variante zum Einsatz und tut ihren Dienst tadellos, selbst bei massiver Überladung.

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2. Ein Lastenrad zum Pendeln
4. Kinder transportieren
5. Ein DIY Wetterschutz für Kinder

11 Kommentare

  1. Johannes

    Vielen Dank für die tollen Artikel! Sehr schön auch mit den Fotos 🙂
    Bei mir steht der Multicharger weit oben auf der Haben-Wollen-Liste und deine Artikel haben das nur bestätigt. VG

    • Remstalkind

      Hallo Johannes,
      vielen Dank für die nette Rückmeldung!
      Ich mag mein Multicharger auch sehr 🙂 Eine echte Erleichterung im Alltag
      Viele Grüße
      Ariane

  2. Hallo Remstalkind,
    tolle Berichte hast du über den MuCha geschrieben! Man merkt, dass er Teil deines Lebens geworden ist und du viel Kreativität walten lässt…find ich Klasse. Ich habe heute meinen 21er abgeholt. Das Safetybarkit fehlt allerdings noch. Wie ist denn deine Einschätzung darüber ein Kind auf der Sitzbank zu platzieren und dahinter ganz zurückgeschoben am Gepäckträger eine Ortlieb Tasche dranzuhängen. Also quasi so, dass die Tasche unterhalb des Oberschenkels und hinter dem Unterschenkel des Kindes hängt 🤪. Meinst du das geht…?
    Danke und viele Grüße
    Marcus

    • Remstalkind

      Hallo Marcus,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und allzeit gute Fahrt. Ich denke, dass genug Platz ist. Aber ich probiere es mal bei Gelegenheit aus und gebe Rückmeldung. Du meinst bei montierter Monkeybar, oder?

      Viele Grüße
      Ariane

  3. Hallo Remstalkind,
    vielen Dank für die inspirierenden und informativen Berichte zum Multicharger! Wir haben es seit letztem Frühjahr und nutzen es v.a. mit Cargobags und Croozer, aber Deine Bilder und Berichte eröffnen ja nochmal ganz neue Möglichkeiten! Vor allen Dingen werden die Kinder (3 J. und 6 Monate) größer und die Große will natürlich hinten drauf :). Juniorsitz ist schon bestellt, aber die safety Bars scheinen bei R&M momentan schwer zu kriegen zu sein… Verstehe ich das richtig, dass ihr die Monkeybars von Tern (Clubhouse) nutzt? Passen die am Multicharger?
    Danke und LG as dem Norden
    Luise

    • Remstalkind

      Hallo Luise,

      ja, das Multicharger ist der Leatherman unter den Fahrrädern ^^

      Ich nutze die Safetybar von RM und habe nur alle Varianten der verschiedenen Hersteller aufgezählt, weil sie im Grunde alle das Gleiche meinen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es passt. Wenn dein Juniorsitz da ist und die Safetybar nicht verfügbar ist, kannst du dir ggf. einen Minilenker fürs Sattelrohr besorgen. Dann kann die Kleine wahrscheinlich schon mitfahren. Die gibt’s von Tern und RM. Günstiger wird es aber mit einem Kinderlenker und zwei Rohrschellen.

      Lustig, meine Kleinste ist jetzt auch ein halbes Jahr, die Große fast 4. Im Moment bin ich deswegen auch mit dem Anhänger (Kindercar Twin XL) unterwegs. Das nervt aber ehrlich gesagt, weil das Gespann so lang ist. Ich freue mich schon, wenn der Zwerg ordentlich sitzen kann, dass eine kurze Fahrt im Kindersitz drin ist. Helm in kleinster Größe liegt schon bereit.

      Viele Grüße
      Ariane

      • Hej, Danke für die schnelle Rückmeldung! Ja, stimmt, der kleine Lenker ist sogar schon dran und sie macht das super mit dem Festhalten. Wir probieren das dann einfach mal aus mit Juniorsitz ohne Safety Bars, ob es so sich im Stadtverkehr schon sicher genug anfühlt.
        Und ich freu mich auch schon drauf, wenn der Kleine sitzt – wahrscheinlich dann erstmal vorne im Minisitz. Andererseits finde ich den Anhänger in Punkto Wetterschutz und zum Einschlafen echt unschlagbar, der wird uns also sicher noch eine Weile begleiten.
        Jedenfalls ist es einfach großartig, wie flexibel das Fahrrad nutzbar ist und damit anders als die klassischen Lastenräder nicht auf die Kleinkindzeit beschränkt ist.
        Vielen Dank fürs Teilen!
        LG Luise

        • Remstalkind

          Hallo Luise,
          ich würde mich freuen, wenn du mal berichtest, wie sich das Rad fährt, wenn vorne und hinten ein Kind sitzt.
          Insgesamt finde ich es spannend, wie sich andere Mädels schlagen. Meist liest man nur von Männern, die ja meist größer und kräftiger sind.
          LG

  4. Danke für deine tolle Seite!
    Wir haben den Multicharger mit zwei Urban Iki Kindersitzen hinten für unsere Kids (1 Jahr und 2,5 Jahre). Die Monkeybar, Speichenschutz und die Fußstützen sind noch nicht installiert.
    Für längere Touren würden wir gerne unseren Thule Chariot Cross anhängen. Die mitgelieferte Anhängerkupplung passt allerdings nicht. Hast du einen Tipp wie wir den Anhänger an unseren Multicharger bekommen?
    Liebe Grüße,
    Chrissie

    • Remstalkind

      Hallo Chrissie,
      die Kindersitze machen ja echt was her. Die kannte noch gar nicht. Solange die Sideloader nicht angeschraubt sind, müsstet ihr mit der Achsverlängerung von Thule klar kommen.
      Viele Grüße
      Ariane

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