Waiblingen 2028 – Mobilität für alle?

Die letzten drei Wochen haben es gezeigt: Eine Familie kann schon heute weitgehend ohne eigenes Auto in Waiblingen leben und wir möchten alle Familien dazu ermuntern, auf diesem Gedanken intensiv herumzukauen und ihn nicht gleich wieder auszuspucken. Es ist eine Herausforderung, aber eine schöne!

Im letzten Blogeintrag möchten wir den Blick in die Zukunft richten

Heute ist unsere Tochter drei Jahre alt. Sie unternimmt erste Fahrversuche, lernt erste Verkehrsregeln und -zeichen kennen. Wir schwanken zwischen Stolz und Herzinfarkt. Dabei geben wir unser Bestes, um sie fit für den Straßenverkehr zu machen, denn Radfahren ist Selbstbestimmung und Unabhängigkeit.

2028 wird sie zehn Jahre alt sein. Spätestens dann muss sie den geschützten Platz auf dem Gehweg verlassen. Das Mädchen wird reguläre Teilnehmerin am Straßenverkehr sein – mit allen Rechten und Pflichten. Bis dahin ist sie zirka 140cm groß, gute 30kg schwer und wird mit einem 24“- Rad unterwegs sein. Geschützt durch 270g Styropor und eine hoffentlich herausragende Infrastruktur. Ein Zurück auf den Bürgersteig gibt es dann nämlich nicht mehr.

2021 muss man sich noch allzu oft entscheiden: schnell, sicher oder komfortabel?

  • Sicherheit bedeutet oft einen Umweg oder mit Schrittgeschwindigkeit zu Gast auf einem freigegebenen Fußweg zu sein.
  • Schnell ans Ziel zu kommen heißt, die Fahrbahn zu nutzen. So umgeht man immerhin die abartig schlecht geschalteten Bettelampeln. Dafür teilt man sich die Fahrbahn mit den wesentlich stärkeren KfZ, deren Verständnis für die Verletzlichkeit (trotz Helm!) von Radfahrern oft wenig ausgeprägt ist.
  • Komfortabel sind in Waiblingen aktuell nur die für Radfahrer geöffneten Einbahnstraßen. Der große Wurf von 2020. Sonst ist die Fahrradinfrastruktur meist ein unübersichtliches, teils widersprüchliches Stückwerk aus Fahrbahn, Farbe und „Fahrrad frei“.

SUV parkt auf Gehweg und behindert Mutter mit Kinderwagen

Wie werden Waiblingens Straßen aussehen? 

Liebe Stadtverwaltung, liebe Ordnungshüter und Polizeibeamte,

Wir wünschen uns, dass Fahrradfahren in Waiblingen keinen Mut mehr erfordert und der Fokus auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer gelenkt wird. Ältere und Kinder haben heute das Nachsehen.

Uns ist bewusst, dass Sie aktuell extrem belastet sind. Aber die Pandemie wird nicht ewig dauern und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne:
Haben Sie den Mut, auch unbequeme Themen anzupacken. Sehen Sie nicht mehr weg, wenn ein Auto „kurz mal“ auf dem Radweg hält oder der Sprinter im Kreuzungsbereich parkt. Belassen Sie es nicht bei ermahnenden Worten. Der Einzelfall mag ein Tropfen sein, in ihrer Gesamtheit höhlen sie die Stadt bereits aus. Nehmen Sie die Perspektive der Fußgänger und Radfahrer ein. Bewegen Sie sich selbst mit dem Rad oder zu Fuß durch Ihre Stadt. Sie werden die Schwachpunkte* erkennen.

Vielen Dank und bis spätestens 2028
Ariane (227km), Fabian (428km) und Louise (28km)

* Fahrradklimatest 2020 Waiblingen: https://fkt.object-manager.com/data/2020/Waiblingen_8119079_FKT2020.pdf